Der Werkstoff Titan:

Verarbeitung

Spanlose Formgebung

Wegen des vergleichsweise hohen und bei den härteren Titansorten ansteigenden Streckgrenzverhältnisses sowie des niedrigen Elastizitätsmoduls ist bei allen Umformvorgängen mit einem großen elastischen Anteil zu rechnen. Hierdurch tritt eine stärkere Rückfederung auf, so dass häufig eine Umformung bei erhöhten Temperaturen vorgezogen wird. Darüber hinaus sollten zum anrissfreien Biegen, Abkanten und Bördeln größere Radien und möglichst geringe Umformgeschwindigkeiten gewählt werden. Wenn aus konstruktiven Gründen nicht auf enge Radien und scharf abgekantete Winkel verzichtet werden kann, so ist Warmumformen oder Kaltvorformen mit anschließendem Kriechformen (hot sizing) zu empfehlen. Wesentliche Voraussetzung für gute Umformergebnisse ist eine tragfähige und gleichmäßige Schmierung. Durch Beschichtung von Blechen mit Kunststoff-Folien und gleichzeitige Schmierung mit Tiefziehöl lassen sich wesentlich größere Ziehverhältnisse ohne Werkstoffversagen erzielen. Das Schneiden von Reintitanblechen auf Schlag- oder Rondenscheren sowie das Stanzen und Lochen können mit den gleichen Werkzeugen durchgeführt werden, die auch für Stahl eingesetzt werden. Die Anlagen sollten jedoch sorgfältig gesäubert werden, um eine Verunreinigung des Titans mit Stahlteilchen oder Fremdrost zu vermeiden.

Warmumformung

Titanwerkstoffe weisen bereits bei niedriger Temperatur ein großes Diffusionsvermögen für Wasserstoff auf und zeigen oberhalb 700 °C eine verstärkte Zunderbildung, die mit einer Eindiffusion insbesondere von Sauerstoff in die obersten Werkstoffschichten verbunden ist. Durch die Aufnahme atmosphärischer Gase werden das Formänderungsvermögen und die Zähigkeitseigenschatten von Titan vermindert, so dass diese Einflüsse durch begrenzte Wärmzeiten und saubere Wärmöfen, vorzugsweise elektrisch oder gas- bzw. ölbeheizt mit Luftüberschuss, gering zu halten sind. Die Werkstücke dürfen den Flammgasen nicht unmittelbar ausgesetzt werden. Besonders beim Umformen im Gesenk sind die geringe spezifische Wärme und die vergleichsweise niedrige Wärmeleitfähigkeit von Titan sowie der Wärmeausdehnungsbeiwert zu beachten. Durch die beim Erwärmen an Luft entstehenden Oxidschichten wird der hohe Reibungsbeiwert des Titans zwar herabgesetzt, doch müssen die Gleiteigenschaften durch Schmierung der Gravuren und Verwendung von schmierenden Deckschichten auf den Werkstückoberflächen verbessert werden.

Glühen und Beizen

Wärmebehandlung von Titan-Werkstoffen
Werkstoff Spannungsarmglühen Weichglühen Lösungsglühen und
Warmauslagern
Kurzzeichen Nr Temperatur Haltedauer Temperatur Haltedauer Behandlung Temperatur Haltedauer
Ti1 3.7025 450 bis 550/L 15 min bis 2 h 650 - 750/L 15 min bis 8 h
Ti2 3.7035              
Ti3 3.7055              
Ti4 3.7065              
Ti1PD 3.7225              
Ti2PD 3.7235              
Ti3PD 3.7255              
TiNi, 8Mo0,3 3.7105              
TiAI5Fe2,5 3.7110 500 bis 600/L 3 min/mm mindestens 30 min max. 4 h 700 - 850/L
bis 550 langsame Abkühlung
3 min/mm mindestens 15 min bis 2 h Lösungsglühen 800 bis 920/W 15 bis 60 min
            Warmauslagern 480 bis 600/L 2 bis 4 h
TiAI5Sn2,5 3.7115 550 bis 650/L

3 min/mm mindestens 30 min max. 4 h

700 - 850/L 3 min/mm mindestens 15 min bis 2 h
           
TiAI6Sn2Zr4Mo2Si 3.7145 500 bis 650/L 3 min/mm mindestens 60 min 700 - 850/L
bis 550 langsame Abkühlung
3 min/mm mindestens 60 min bis 8 h Lösungsglühen 900 bis 950/L 15 bis 60 min
            Warmauslagern 550 bis 600/L 8h
#TiAI6V4 3.7165 500 bis 600/L 3 min/mm mindestens 30 min max. 4 h 700 - 850/L
bis 550 langsame Abkühlung
3 min/mm mindestens 15 min bis 2 h Lösungsglühen 820 bis 950/W 15 bis 60 min
            Warmauslagern 480 bis 600/L 2h
TiAI6V6Sn2 3.7175 500 bis 600/L 3 min/mm mindestens 60 min max. 4 h 650 - 720/L 3 min/mm mindestens 60 min bis 4 h Lösungsglühen 820 bis 910/W 30 bis 60 min
            Warmauslagern 480 bis 600/L 2 bis 8 h
TiAI4Mo4Sn2 3.7185 500 bis 600/L 3 min/mm mindestens 60 min max. 4 h 700 - 840/L 3 min/mm mindestens 60 min bis 4 h Lösungsglühen 900/L 1 h
            Warmauslagern 500/L 24 h
TiAI3V2,5 3.7195 450 bis 650/L 3 min/mm mindestens 30 min 680 - 760/L 3 min/mm mindestens 60 min bis 2 h
           

Zur Erzielung eines weichen Zustandes wird ein rekristallisierendes Glühen nach Warmumformung von Halbzeugen oder als Zwischenglühung nach kaltem oder halbwarmem Umformen von Fertigteilen durchgeführt. Eine Spannungsarmglühung wird zum Abbau hoher Schweißeigenspannungen mehrlagiger Schweißnähte in komplexen Konstruktionen empfohlen, besonders wenn hohe Anforderungen an die Maßhaltigkeit nach mechanischer Bearbeitung gestellt werden. Auch bei Sprengplattierungen wird die Härtesteigerung durch Verformung im Grenzbereich Titan/Stahl durch eine Spannungsarmglühung abgebaut, Leichte Anlauffarben, die bei Temperaturen bis etwa 500 °C entstehen, lassen sich in Mischungen aus Salpeter-/Flusssäure entfernen. Für schwere Oxid- und Zunderschichten sind Strahlentzunderung oder Salzbäder mit anschließendem Säurebeizen zu empfehlen. Nach allen Glüh- und Beizbehandlungen ist der Wasserstoffgehalt vor allem im oberflächennahen Bereich zu kontrollieren.

Spanende Formgebung

Bei der Zerspanung müssen die geringe Wärmeleitfähigkeit, der niedrige Elastizitätsmodul und die hohe Zähigkeit von Titan durch folgende Maßnahmen berücksichtigt werden:

  • Geringe Schnittgeschwindigkeit, um örtliche Überhitzung mit Neigung zum Festfressen und zur Selbstentzündung sowie schnellen Werkzeugverschleiß zu vermeiden (Bildung von Aufbauschneiden, Reibschweiß-Schäden).
  • Großer Vorschub, d. h. erhöhter Spanquerschnitt, um trotz niedriger Schnittgeschwindigkeit gute Schnittleistungen und ausreichende Wärmeabfuhr sicherzustellen.
  • Ausreichende Kühlung mit wässrigen Lösungen von 5 %igem Natriumnitrit oder Alkaliphosphat bzw. Ölemulsionen erhöhen die Schnittleistung und Werkzeugstandzeit. Für die Schneidflüssigkeit steht Vorrangig die Kühlwirkung und weniger die Schmierwirkung im Vordergrund.
  • Robuste Maschinen und kurze, schwingungsarme Einspannung, um geringe Durchbiegung und gleichmäßigen Werkzeugeingriff sicherzustellen.
  • Scharfe Werkzeuge die frühzeitig nachgeschliffen werden, um schnellem Werkzeugverschleiß vorzubeugen und glatte Oberflächen zu erzielen. Als Schneidstoffe haben sich hochkobalthaltige Schnellarbeitsstähle oder Hartmetalle und Diamanten bewährt.
  • Harte Oberflächenschichten, die durch Eindiffusion von Sauerstoff entstanden sind, durch Strahlen und Beizen entfernen, um frühzeitiges Stumpfwerden der Werkzeuge zu vermeiden.

Bei Beachtung dieser Grundsätze lassen sich Titan und Titanlegierungen durch Drehen, Hobeln und Sägen ohne Schwierigkeiten spanend bearbeiten. Wegen des unterbrochenen Spans erfordert das Fräsen besondere Erfahrung. Durch behinderte Spanabfuhr und eingeschränkte Kühlmöglichkeit sind Bohrungen großer Tiefe nur mit hohem Aufwand herzustellen. Noch größere Schwierigkeiten müssen beim Gewinde bohren in Kauf genommen werden. Richtwerte für das Drehen und das Fräsen von Titan und Titanlegierungen gehen aus den Tabellen 9 und 10 hervor. Trennschneiden und Schleifen sind bei Titan leicht durchzuführen, sofern für ausreichende Kühlung gesorgt wird. Es sind Schleifscheiben und Bänder auf der Basis von Siliziumkarbid zu verwenden, deren Körnung nicht zu fein sein sollte, um ein Verkleben zu vermeiden. Die Schleifgeschwindigkeit ist gegenüber Arbeiten an Stahl auf Werte unter 15 m/s zu reduzieren.

Richtwerte für das Drehen von Titan und Titanlegierungen

Richtwerte für das Drehen von Titan und Titanlegierungen
  Schnitt-
geschwindigkeit
Vorschub Schnitttiefe Span-
winkel
Frei-
winkel
Neigungs-
winkel
Seiten-
spanwinkel
(bei HM)
  Schruppen, unterbrochen Schnitte, unstarre Schnittverhältnisse
RT HM 30 - 75 m/min 0,2 - 0,4 mm >2,5 mm 0 bis -6° 6 bis 8° -4°
SS 7,5 - 40 m/min 0,1 - 1,25 mm >2,5 mm 6 bis +15° 5 bis 7° 0 bis 5°
LT HM 15 - 25 m/min 0,2 - 0,4 mm >2,5 mm 0 bis -6° 6 bis 8° -4°
SS 3 - 15 m/min 0,1 - 0,4 mm >2,5 mm 6 bis +15° 5 bis 7° 0 bis 5°
  Verdrehen, glatter Schnitt
RT HM 60 - 100 m/min 0,2 - 0,4 mm 0,75 - 2,5 mm 6 bis -6° 6 bis 8° -4°
SS 18 - 50 m/min 0,075 - 0,2mm 0,75 - 2,5 mm 6 bis +15° 5 bis 7° 0 bis 5°
LT HM 20 - 50 m/min 0,1 - 0,4 mm 0,75 - 2,5 mm 6 bis -6° 6 bis 8° -4°
SS 5 - 15 m/min 0,075 - 0,2 mm 0,75 - 2,5 mm 6 bis +15° 5 bis 7° 0 bis 5°
  Fertigdrehen, glatter Schnitt
RT HM 60 - 100 m/min 0,075 - 0,3 mm 0,1 - 0,75 mm 0 bis 15° 6 bis 8° -4°
SS 20 - 50 m/min 0,05 - 0,1 mm 0,1 - 0,75 mm 5 bis 6° 5 bis 7° 0 bis 5°
LT HM 20 - 70 m/min 0,075 - 0,3 mm 0,1 - 0,75 mm 0 bis 15° 6 bis 8° -4°
SS 9 - 15 m/min 0,05 - 0,1 mm 0,1 - 0,75 mm 5 bis 6° 5 bis 7° 0 bis 5°
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Richtwerte für das Fräsen von Titan und Titanlegierungen

Richtwerte für das Fräsen von Titan und Titanlegierungen
  Schnitt-
geschwindigkeit
Zahnvorschub Schnitttiefe (Stirnfräsen) Schnitttiefe (Wälzfräsen)
RT HM 25 - 30 m/min 0,07 - 0,15 mm >1,25 mm >2,5 mm
SS 50 - 60 m/min 0,1 - 1,2 mm >1,25 mm >2,5 mm
LT HM 7,5 - 20 m/min 0,07 - 0,15 mm >1,25 mm >2,5 mm
SS 15 - 30 m/min 0,1 - 0,2 mm >1,25 mm >2,5 mm
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Schweißeignung und Schweißbarkeit

Die unlegierten Titansorten nach dieser Norm sind für eine Schweißung bei der weiteren Verarbeitung unter Berücksichtigung der üblichen Regeln für das Schweißen von Titan geeignet, siehe DVS Merkblatt 2713. Wenn diese beachtet werden, lassen sich Schweißnähte erzielen, die in den technologischen Eigenschaften und im Korrosionsverhalten dem Grundwerkstoff entsprechen. Titan kann wegen der Bildung spröder Phasen nicht mit anderen Werkstoffen verschweißt werden! In der industriellen Praxis wird Titan unter Schutzgas (Reinst-Argon mindestens 99,95 %) bevorzugt nach dem Wolfram-Inertgas- (WIG) und Plasma-Schweißverfahren verschweißt. Dabei sind sowohl die Nahtoberseite als auch die Wurzelseite mit Randzonen durch dem Bauteil angepasste Argon-Schutzvorrichtungen vor dem Zutritt von Luft auch während der Abkühlung bis unter 300 °C zu schützen. Auf Sauberkeit der Schweißkanten, der Randzonen und des Schweißzusatzes ist zu achten. Als Zusatzwerkstoff ist ein Blankdraht der gleichen Titangruppe zu verwenden. Beispiele siehe DIN 1737 Teil 1. Das WIG-Schweißen soll mit Gleichstrom und negativer Elektrode erfolgen. Nach DIN 8528 Teil 1 ist die Schweißbarkeit nicht nur vom Werkstoff, sondern auch von den Bedingungen beim Schweißen, von der Konstruktion und den Betriebsbedingungen des Bauteils abhängig.

Widerstands-Punkt- und Rollennahtschweißen

Gut gereinigte Bleche lassen sich nach diesen Verfahren einwandfrei verbinden, da durch den Anpressdruck der wassergekühlten Elektroden und kurze Schweißzeiten die Aufnahme atmosphärischer Gase weitgehend unterbunden wird.

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Wärmebehandlung

Die Wärmebehandlung wird im allgemeinen in elektrisch oder gasbeheizten Öfen unter oxidierender Atmosphäre in Vakuum oder unter Edelgas durchgeführt.

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